paul m waschkau über die
ARSENIKBLÜTEN der mysteriösen DANIELLE SARRÉRA # Poesie & Ekstase
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paul m waschkau
über die ARSENIKBLÜTEN der mysteriösen französischen Dichterin DANIELLE SARRÉRA, die sich im Alter von 17 Jahren vor einen Zug warf...
1974
erschienen in Frankreich erstmals Texte der Danielle Sarréra, die vom in
Frankreich recht bekannten französischen Autor Fréderick Tristan bei „Le Nouveau Commerce“ herausgegeben
wurden. Die Autorin, die von 1932-1949 gelebt haben soll, bevor sie sich als
17jährige am Pariser Gare de Lyon vor einem Zug warf, bewohnte bis zu ihrem
Tode eine Kammer in der Dachstube der Rue Bonaparte 42 des Pariser
Existenzialistenviertels St.Germain des Près, wo ihr poetisches „Oeuvre“ &
„Journal“ in Form beschriebener Schulhefte gefunden wurde. Schnell avancierte
die junge Sarréra zur poetischen Heldin, vergleichbar einem weiblichen
Rimbaud. Nachdem ihr schmales Werk 1978 in deutscher Übersetzung unter dem
Titel „Arsenikblüten“ im Verlag Matthes
& Seitz erschien, rezitierte 1979 Bulle Ogier Textfetzen der Sarréra in
Fassbinders Terroristenfilm „Die dritte Generation“. Fortan feierte man die
tote Dichterin und ihre „Arsenikblüten“ als regelrechten Geheimtip
speziell in der Theater- und Performanceszene
Berlins. Erst seit Mitte der 90iger Jahre ist die Existenz der Danielle Sarréra
umstritten und vieles deutet darauf hin, daß es sich um ein Pseudonym ihres in
Frankreich sehr bekannten Entdeckers und Herausgebers Fréderick Tristan
handelt. Die Sache ist aber bis heute nicht wirklich geklärt.
Zitate: Danielle
Sarréra/Arsenikblüten - Matthes & Seitz Verlag, München 1978 - vergriffen!
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„Schon Herbst! – Aber warum einer ewigen Sonne nachtrauern, wenn
wir uns auf den Weg gemacht haben zur Entdeckung der göttlichen Helligkeit -
fern der Menschen, die sterben über den Jahreszeiten.“ JeanNicolasArthur RIMBAUD
I. Poesie & Ekstase
Ja, ich habe Ihnen geheime Mitteilungen über die mysteriöse
Danielle Sarréra zu
machen. Über ihre zärtlich düsteren, höllisch himmlischen Arsenikblüten, in denen es wimmelt vor
Huldigungen und Verachtungen, Leidenschaften, Risiken, Gefahren, ekstatischen
Wucherungen, die sie uns in völliger Hingabe mit einer so extravaganten Poesie
entgegenschleudert.
Die Arsenikblüten, die mit
Hurischreien und Hassgesängen wie Gewitterblitze aufblitzen, um mit einem
unwiederbringlichen Aufschrei des Körpers und des Denkens und der Sprache keinerlei
Rücksicht zu nehmen, auf das, was sich als heilig, unantastbar und etabliert
eingeschweißt hat. Und es sind ihre Schreie wie ihr Flüstern, in denen sich der
Hass der Poesie auf die Ekelhaftigkeit des alltäglichen Draußen wiederspiegelt.
Um einfürallemal Schluss zu machen mit jenen besserwisserischen Neidern, die
sich darauf spezialisiert haben, Schubladen zu ziehen und wieder zu
schließen! um einen außerhalb von allem angesiedelten Text zu kastrieren und
als erledigt abzuheften.
Ja, mit Beten der Verachtung
sind die Arsenikblüten gesät, mit Verachtungen nicht zuletzt gegenüber ihren
Eltern, aber wer verachtet seine Eltern nicht? Mit Verachtungen gegenüber dem
Schädelbohrerritter, der Christus ist, gegenüber dem Anthropo, der auf zwei
Stelzen als Spezie Mensch dahertrottelt und zuletzt natürlich auch mit
Verachtungen gegenüber all diejenigen verächtlichen kleinen Pisser, die mittels
einer steifen Erhöhung ihres intellektuellen Kopfes als Interpretatoren
dahergekrochen kommen.
Nein. Die Arsenikblüten der
Danielle Sarréra lassen sich nicht kastrieren, schon gar nicht mit
kleinlichen miesen Erkenntnissen über die Verfasserin des Textes, die von
jeher tot war und für immer tot sein wird, und daher - logischerweise - im
ganz natürlichen Sinne unsterblich ist.
Ja. Die Arsenikblüten
offenbaren uns so etwas wie den Totemabgrund einer unverbesserlichen geifernden
Bestialität. Einer Bestialität, die in ihrem Körper bei Tag und Nacht schlägt,
um dem Mitmenschen also auch uns und mir während jener so beruhigten und
daher gleichgültigen Phasen des Lebens nachzustellen, um sie mittels einer
Mutter aller Schlachten aufzupeitschen, damit die Karten neu gemischt werden.
Einer Schlacht der Liebe einerseits und einer Schlacht des Hasses andererseits,
also eigentlich einer Schlacht. Und alle wissen, daß solch eine Schlacht, und
sei sie nur experimentelles Wagnis, niemals abgeht, ohne daß Blut fließt. Im
Spiel der Zerfleischungen muss Blut fließen. Das Herz tanzen. Die Haut zerreißen.
Die Wunden eitrig bluten. Mittels spezieller Salben kommt man bestenfalls mit
leichten Linderungen davon.
„Ich werde lodern im
Augenblick deines Heils und dein letzter Kuss wird der Pfeffer auf der Wunde
sein. Ich bin geschaffen, dich aus Welkem zu bilden und dich in der Stunde zu
zerstören, die für dich günstig sein wird. Ich bin geschaffen, dir in deinem
größten Hass zu gefallen. Denn ich bin der einzige Sklave, den du eines
Tages wirst verbrennen können."
So kündigt sich die Poesie
der Arsenikblüten als orgiastisches Manifest eines sich selbst verlierenden
Begehrens an. Sie flammt in einer Sprache auf, die sich einerseits nah kommt
und doch so außer sich gerät, daß
diese Klarheit eher eine Distanz in Form einer Zerstreuung zu sich schafft,
als daß sie Zeichen setzt, zu sich zurückzukehren. Sie ist daher, und das ist
wichtig, imstande, nein, sie fordert, alles, und ich meine ALLES,
in Frage zu stellen, ohne sich die kleinste Ruhepause zu gönnen.
„Ihr bräuchtet die Fühler,
die ich besessen habe und die ich mir abgehackt habe und noch besser zu sehen,
um noch besser zu fühlen. Ihr bräuchtet Lippen, die schon tot sind, Hände, die
schon verbrannt sind, Augen, die schon hohl sind. Ihr müsstet allen euren
Neigungen gehorchen und Ihr bräuchtet diesen speziellen Glanz des Herzens, der
mich quält und der mir die Tür zu den großen Geheimnissen öffnet und wieder
schließt.“
Das Zucken der Wörter, das
einem frei von aller Pornographie dazu animiert, sich die Kleider vom Leibe zu
reißen, um dem poetischen Text so nackt zu begegnen, wie sich die Dichterin
uns ausliefert. Denn sie ist nicht nur nackt. Sie ist nackter als nackt. Sie
ist so nackt, dass sie nur noch aus Text besteht. Und hinter dieser Nacktheit
lauert eine zuckende entzückende Vernichtung.
Hat man sich von diesem
Zucken aus Wörtern und Bildern kitzeln lassen, hat man sich von ihnen fesseln
lassen, ist es zu spät und es gibt, das behaupte ich, kein Entrinnen mehr. Sie
werden dich peitschen, vergewaltigen, sie werden dich elendig abkratzen lassen.
Im geringsten aller möglichen Fälle bleibt man vergiftet zurück.
Ich behaupte daher: Der
Poesie der Arsenikblüten kann man nur mit dem Herz eines Dichters begegnen,
das nach dieser Begegnung augenblicklich bluten wird. Und ich weiß, wovon ich
rede, da ich sie seit meiner ersten Begegnung, also seit gut 10 Jahren, an die
300x gefressen habe, und nie - niemals! - ist es dazu gekommen, daß ich sie
habe auskotzen oder auskacken müssen.
Denn vergessen wir nicht,
daß schon nach einer aus Arsenikblüten bestehenden Mahlzeit, üblicherweise,
bei einem normalen Menschen starke Verdauungsstörungen, Kopfschmerzen und
Lähmungen auftreten und sich darüber hinaus die Haut dunkel färbt. Übersteigt
die Mahlzeit die ausschankmäßige Menge in einem Nobelrestaurant, ist sie also
etwas üppiger, wird der normale Mensch sehr schnell von Schwindel, jagender Atmung,
Erbrechen, brennendem Durst, einer ekelerregenden rotschwarzen Harnfärbung,
von Schüttelfrost und selbstverständlich von Fieberanfällen geplagt, so daß
ihm nichts bleibt, als auf der Stelle abzukratzen oder, wenn die Lebensuhr
eine kleine Nachspielzeit anzeigt, den Arzt zu rufen, auch wenn der bei Ankunft
nur noch den Totenschein ausstellen kann.
Wer das überlebt, wird
erleben und sich daran berauschen, wie Danielle Sarréras Sprache sich im
Innern ihres eigenen Raums ständig selbst vernichtet und in der Trägheit der
Ekstase ihren Hass auf die Ausschweifung bloßlegt, einen Hass, der versucht
hat, sie in die Sphären der Überheblichkeit zu katapultieren und sie zuletzt
erschöpft auf den Strand des Unsagbaren zurückschleudert, eines Unsagbaren,
das gerade sie so wunderbar zu sagen weiß.
Es ist diese Erschöpfung,
mit der sie uns jenen so überschwänglich zärtlichen wie hasserfüllten Raum öffnet,
in dem eine lebende Kreatur keine Wurzeln schlagen kann. Und gerade das macht
diesen Raum, diesen vor Phänomenen, Ausdehnungen, Expansionen und Extensionen,
Oppressionen, Kollusionen, Kohäsionen und übermäßigen Trieben strotzenden
poetischen Raum so faszinierend.
Doch die Dinge nehmen ihren
Lauf und die Kadaver des Geistes zucken noch. „Alles überprüfen also, alles
in Angriff nehmen, anpacken, erwürgen.“ (AB/D.S) Denn vergessen wir nicht:
„Der geistige Kampf ist genauso brutal wie die Menschenschlacht.“ (Rimbaud)
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II. Geier
& Kloaken
Ich habe es niemals
ertragen können, daß man in der Poesie eines großen Dichters vom Gesichtspunkt
der Semantik, der Geschichte, der Archäologie, der Biographie oder der
Mythologie herumfummelt. (Artaud)
Es hieß lange Zeit,
Danielle Sarréra hätte sich im Alter von 17 Jahren umgebracht. Angeblich hatte sich die Dichterin 1949
in Paris vor den Zug geworfen. Angeblich aber hat sie nie existiert. Angeblich,
denn die Spekulationen halten an. Angeblich aber fand
man in der rue Bonaparte 42 des Existentialistenviertels Saint Germain dés
Près in Paris drei Schulhefte, die ihr Gesamtwerk konstituieren.
Als sie vom französischen Autor Fréderick
Tristan 1974 als Herausgeber ihrer Texte in die literarische Welt katapultiert
wurde, war sie urplötzlich eine verspätete Zeitgenossin des französischen
Existentialismus, also, um es lachhaft zu sagen, Zeitgenossin von all diesen
gutbürgerlichen gefeierten französischen Künstlern der Highsociety: Sartre,
Camus, Bréton, Beauvoir, Cocteau, Gréco usf. Nein, das kann man einfach nicht
hinnehmen.
Wenn überhaupt, dann ist
Danielle Sarréra Zeitgenossin von den gänzlich Zeitlosen wie Lautréamont,
Rimbaud und nicht zuletzt Artaud, meinetwegen auch noch von Laure,
keineswegs aber von Bataille. Große Zweifel bei Bataille.
Doch mit diesen sinnlosen
Gesten des Vergleichens, die für die wichtig sind, die es nicht vermögen, auf
einem Bein zu stehen, wollen wir gar nicht erst anfangen.
„Wir sind unter Schwätzern verloren, in
einer Nacht, in der wir den Anschein des Lichtes, der vom Geschwätz ausgeht,
nur hassen können.“ (Foucault). Schließlich
kennen wir die von Informationswut besessenen Schakale, die einen Text,
der außerhalb des Irdischen schwebt, mit tonnenschwerer Geisteskraft auf
der Erde zu verankern suchen, weil sie zuvor - totalement unbefriedigt - nur
im Dunkeln tappten.
Um so gieriger schlängeln
sich seitdem Scharen von Geiern um besagten Tristan, der sich plötzlich als
Autor outete, der aber - selbstredend - 50 Jahre nach der Niederschrift des
Textes, wenn es denn stimmt, Autor nurmehr im Sinne der perfiden Situation
des Rechteinhabers sein kann. Und ich meine jene Sorte von Geiern, die man an
ihrer typischen lechzenden Geierhaltung erkennt, wenn irgendwo ein lebendig
zuckender Kadaver auftaucht, in dem sich rumhacken läßt.
Mittels der bekannten
Kreuzzüge der Interpretation wird Buch um Buch, Text um Text als Beweismaterial
aufgetürmt, um in den Eingeweiden des Autors oder anderen Texturen herumzustochern.
Vermutungen als Beweise und Gegenbeweise ins Feld gefahren für Zerfleischungen,
Bloßstellungen, Attacken.
Der Arsenikblüten-Text hat
für sie längst keine Bedeutung mehr. Bedeutung hat für sie nur noch der
anfällige Körper des Autors, sein Aussehen, sein Alter, sein Geschlecht.
Nicht zu vergessen seine Schwächen und Stärken, seine Risse, seine gesellschaftliche
Situation; weiche Ziele, leicht zu attackieren, noch leichter zu erledigen. Der
perfideste Verrat ist daher jener, das Bildnis des um 50 Jahre gealterten
Autors als Autor der Arsenikblüten zu chiffrieren. Ein abgefeimter ruchloser
vor Eiter stinkender Verrat an der Poesie der Danielle Sarréra. Eine Racheakt
des Kleinkrämers gegenüber dem Künstler. Schließlich ist es kaum zum glauben,
daß dieser gealterte inzwischen literarisch & gesellschaftlich
erfolgreiche Tristan, Bartträger im grauen Anzug, der sich mit seinem Pudel
fotografieren lässt, Autor der Arsenikblüten sein sollte.
Denn was sie alle nie haben
ertragen können, ist, daß es von Danielle Sarréra kein Foto gibt!
Urplötzlich stehen
diejenigen, die noch Sekunden zuvor für die moderne Auflösung des Ichs eine
Lanze brachen, wieder Gewehr bei Fuß und wollen das ICH des Autors als maßgebliche
Größe ins Spiel bringen.
Ihr oft durch Zufall
errungenes Wissen dient nicht dem Verstehen sondern dem Zerschneiden. Es
geht ihnen längst nicht mehr um die Macht eines poetischen Sinnes, sondern um
das Hasardspiel der Interpretation, also der Überwältigung, der Deklassierung,
der Herabsetzung. Die zuvor in ihren Extremen wimmelnde Poesie mit all ihren
immanenten Anspielungen auf dieses Thema wird versuchsweise nahezu ausradiert
und als falsch ausgestellte Rechnung reklamiert. Und endlich kann die Wahrheit
der Poesie von der Wahrheit augenscheinlicher Fakten besiegt und damit zum
Verschwinden gebracht werden.
Monsieur Artaud schreibt
uns dazu folgendes:
Die Leute, die das
Unbestimmte verlassen, um irgend etwas von dem, was in ihrem Denken vorgeht,
versuchsweise zu präzisieren, sind Schweine. Alle die, die Anhaltspunkte im
Kopf haben, ich meine, auf einer bestimmten Seite des Kopfes, an genau lokalisierten
Stellen ihres Hirns, alle die, für die die Worte einen Sinn haben, und alle
die, die zeitgemäß sind und die diese Denkströmungen benennen, ich denke an
ihre präzisen Urteile und an dieses automatenhafte Knarren, das ihr Denken
in alle Richtungen von sich gibt, - sind Schweine.
Daß es sie gibt, ist
glücklicherweise nur kurzzeitig beunruhigend. Denn zuletzt sind die Analysen
aus dem Schweinestall nur so viel wert wie Papier, womit man sich den Arsch abwischt.
Danielle Sarréra ist darüber
erhaben und vergnügt sich mit ihren Prinzen, die ebenfalls gerade verfaulen.
Mit präziser Verachtung und gleichzeitig großer Nonchalance schleudert sie
ihren Abscheu denen entgegen, die den großen Glanz des Herzens, der sie
quält, nie erlebt haben. Und wenn sie von jener illustren „Kloake der Geier“
spricht, die die Unschuld spielen, wenn die sich mit abgefeimter Ruchlosigkeit
an den Morden des Geistes beteiligen, dann nur, um ihnen klar zu machen, wie
gewöhnlich sie sind.
„So kann ich vorhersehen -
und ich irre mich nicht, in keinem Fall! - daß ihr letztlich nur Trug eures
vollgepfropften Gedächtnisses seid, das sich des Nichts erinnert.“ Dagegen „ist
es so unsere Art, um unsere Hand zu retten, unsere Hand zu verbrennen, um
unsere Zunge zu retten, unsere Zunge uns herauszureißen, um unser Denken zu
retten, unter dem Beil zu sterben.“
Was kümmert sie, daß ihr
scheinbarer Vater heute ein bekannter französischer Autor - ja sogar Preisträger
des Prix Concourt - ist, es aber zu Zeiten ihrer Kopfgeburt natürlich nicht
war.
Chèr Monsieur Tristan!
Sollten Sie tatsächlich der
geistige und leibliche Vater der Danielle Sarréra sein, man weiß ja nie,
dann richte ich diesen ganz ernsthaft gemeinten Gruß eines Dichters an Sie:
Hochachtung, große
Hochachtung! Respekt! Ja, sogar Bewunderung dafür, daß Sie uns den Stern
„Arsenikblüten“ geschenkt haben. An mehr von Ihnen bin ich nicht interessiert.
Vielleicht ist Ihr größter Fehler, nicht früh genug gestorben zu sein!
Aber wären wir davor gefeit
gewesen, daß jene vor Faktenwissen gierende holländische Literaturwissenschaftlerin
und ihre Nachfolger (ihre Namen habe ich vergessen), die sich in den 90igern
aufmachte, das Grab der Sarréra zu finden und keines fand, einen anderen
Körper als materialisierte Ikone gefeiert oder demontiert hätten? Nein.
Sicher nicht. Ganz sicher nicht. Irgendwelche Schweine wird es immer geben,
die die Seltenheit poetischer Erhabenheit nicht aushalten und im Schlamm der
Materie buddeln.
Und heute? Wo man zurecht
daran zweifeln darf, daß der Dichter oder die Dichterin der Arsenikblüten noch
existiert, ist es notwendig, selbst wenn ich mich wiederhole, ja, es ist
absolut zwingend, einfürallemal festzustellen: Danielle Sarréra gehört
niemanden. Nicht einmal sich selbst. Und schon lange nicht mehr einem Autor,
auf den sich die Rezeptionisten stürzen wie ein Rudel Wölfe, das ihm ans Leder
will, um das Kleinliche, Menschliche, kurzum Banale an ihm sichtbar zu
machen, das jeder, und ich meine jeder, mit sich herumschleppt. Aber zuletzt
und ganz besonders meine ich damit diese spezielle Sorte von Aasgeiern, die
sich an der Banalität des Geschlechts einen abwichst, die gerade sie so
erbärmlich klein macht. Und zwar spätestens dann, wenn sie mit dem Wichsen
fertig sind.
„Was wollt ihr nur machen,
arme Heuchler, wenn eure Schritte nicht hörbar sind, wenn eure Worte nimmer
tragen (die Zunge ist euch abgeschnitten), wenn eure Augen in einer Leere
rollen, die so leer ist, daß ihr von jeher nur die Leere seid?“
Aber vielleicht
ist Mademoiselle Sarréra nur eine französische Schlampe, also biblisch wie eine
fickende Utopie - wie Kiev Stingl sie in seiner 1984 erschienenen „Besoffenen
Schlägerei“ abkanzelt. Doch selbst dann wäre nichts gewonnen. Verloren
allerdings auch nichts.
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Dieser essay erschien erstmals 2003 in der Zeitschrift für
Spezielle Poesie „ALASKA“ und
wurde vorgetragen beim 1.Danielle-Sarréra-Kongress im Berliner
ORPHTHEATER.
>>> ALASKA___MATERIALheft
zur ALASKA_URaufführung und über die ArsenikBlüten der Danielle Sarréra